Re: My two cents


Clamix hat in seinem Blog eine sehr interessante Frage gestellt:

Wenn man als Schwuler die Wahl hätte, würde man dann bewusst eine Entscheidung zum schwul sein treffen?

Die Diskussion ist schon etwas im Gange. Interessant sind im Zusammenhang dieser, dieser und dieser Post und die anhängenden Kommentare. Ich will die Diskussion hier nicht nochmal aufrollen. Bei Interesse sei auf die Beiträge bei Clamix verwiesen. Zu einer Aussage aus dem letzten Beitrag will ich aber was schreiben.

Clamix schreibt:

Im gleichen Kontext steht die Annahme, Schwule würden ein weniger einfaches Leben führen als Heteros. Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich stimmt, zumindest in der bundesdeutschen Gesellschaft. Von meinen ersten Coming-Out-Versuchen bis heute habe ich noch nicht eine Situation erlebt, in der ich angefeindet wurde oder in der ich irgendwelche Nachteile erfahren habe. Im Gegenteil. Ein geouteter Schwuler unterliegt keinen echten gesellschaftlichen Zwängen mehr.

Ich wage da mal einen Einspruch.

Sicherlich ist in Deutschland das Leben als Schwuler viel leichter als z.B. in einigen arabischen Staaten. Sicherlich sind Anfeindungen in Deutschland auch eher selten.

Trotzdem ist das Leben als homosexueller Mensch schwerer als unter sonst gleichen Voraussetzungen für Heteros. Man betrachte allein schonmal folgende Situation: Man wird „mit Begleitung“ z.B. vom Arbeitgeber irgendwohin eingeladen. (Die Gedanken sind für mich zwar im Moment noch hypothetisch, da ich Single bin, aber mein Arbeitgeber veranstaltet einmal im Jahr ein „Familienevent“ wo neben den Mitarbeitern halt auch Partner und Kinder eingeladen sind. ) Was tut man also?

1. Man spielt den ewigen Single und verschweigt seinen Partner.

2. Man meldet sich mit Partner an. Ich glaube mal einfach, daß das bei mir kein Problem wäre. Aber trotzdem ist die Wahrscheinlichkeit, daß man unter den Kollegen „Basisarbeit machen muss“, also Rede und Antwort zum Thema „homosexuelle Partnerschaften“ stehen muss, nicht gerade gering.

Hetero-Paare gehen einfach hin und genießen die Veranstaltung (oder auch nicht, je nach Veranstaltung…).

Auch sonst stürmt der Hetero-Lebensentwurf im Alltag quasi von allen Seiten auf einen ein. Wenn man in der Provinz ist, ist allein schon der Unterschied, wenn man als schwules Paar Arm in Arm durch die Stadt geht und einem vor die Füße gespuckt wird (ist mir passiert) während ein Hetero-Paar, wild knutschend und scharf an der FSK16 Grenze, keine Reaktion hervorruft.

Doch selbst in schwulen Hochburgen wie Köln ist schwules Leben mit „Problemen“ verbunden. Zum Beispiel werde ich oft gefragt, ob es bei meiner Größe nicht schwer ist eine Freundin zu finden. Es wird einfach davon ausgegangen, daß ich das auch will. Man gilt, in Anlehnung an den Grundsatz der Strafprozessordnung, als Hetero bis das Gegenteil bewiesen wurde. Dieser Sachverhalt hat den wohlklingenden Namen „Heteronormativität“ oder, wenn man sich drüber aufregen will, „Heterosexismus“.

Man wird also dazu gezwungen sich ständig mit seiner sexuellen Identität auseinander zu setzen wenn man ein genau so offenes Leben wie das Umfeld führen will. Das ist zwar für die meisten Schwulen kein Problem mehr. Man bekommt Übung. Auf der anderen Seite gibt es sicher auch viele Heteros die sich mit ihrer Sexualität auseinandersetzen. Aber sie haben die Wahl entweder den bequem vorgefertigten „Standard-Entwurf“ zu leben oder halt eigene Wege zu gehen und genau diese Wahlfreiheit macht ihr Leben einfacher. Sicher kann man das auch mit „ich habe die Freiheit jenseits Gesellschaftlicher Zwänge zu leben“ schön färben. Aber echte Freiheit wäre das nur dann, wenn man auch die Wahl hätte sich gegen sie zu entscheiden. Daß sich viele Schwule diese „unfreie“Möglichkeit wünschen sieht man meiner Meinung nach schon am Trend zur Hetero-Optik, also dem Vortäuschen von „Normalität“.

Ich sage hier nicht wie manche Kommentatoren aus den Posts, daß einen diese Auseinandersetzung zu einem besseren Menschen macht. Viele Schwule schrecken davor zurück und beschränken das Reflektieren über die eigene Situation auf ein Minimum und es gibt sicher auch viele Heteros die über ihre Situation nachdenken. Aber den Anstoß es zu einem gewissen Grad tun zu müssen haben erstmal nur wir. Und daß das einen Unterschied machen kann, sehe ich dann, wenn ich mir die Frage stelle, wann ich das letzte mal über meine Geschlechteridentität nachgedacht habe. Das ist ne Frage die für mich ganz normal ist, für Transsexuelle aber hohe Brisanz hat.

Schwul sein macht einen Menschen also nicht zu einem besseren oder schlechteren Menschen, gibt aber einen Anreiz sich mit bestimmten Aspekten seiner Selbst zu beschäftigen und eben durch diesen Vorgang zu einem besseren Menschen zu werden. Ob man diese Chance ergreift ist dadurch nicht gesagt genausowenig, daß andere nicht aus anderen Gründen zum gleichen Ergebnis kommen. Und irgendwelche Vorteile die man evtl. hat sollten auch über vorhandene Nachteile nicht hinwegtäuschen.

Das sind meine 2 cents zum Thema. Was denkt ihr dazu?

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