Gretchenfrage an „Gay Dating Tricks“


Ich möchte den geneigten Leser der sich wie ich sowohl in schwulen Dating-Plattformen wie Gayromeo tummelt als auch sich ein paar Gedanken über Religion macht (, natürlich dürfen andere Leser gerne weiterlesen) auf den Artikel „Religion“ auf „Gay Dating Tricks“ hinweisen. Die Beiträge die ich auf dieser Seite bisher gelesen habe sind allesamt sehr gut gelungen. Aber in diesem Artikel gibt es Absätze die ich nicht unkommentiert lassen will. Also stelle ich hier mal die Gretchenfrage: „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion? “ Ich will aber keine direkte Antwort auf diese Frage für mich geben. Ich beziehe mich ja immerhin auf den genannten Artikel. Und da will ich etwas herausheben was mich in Diskussionen mit Christen schon länger stört. Es geht um den Themenbereich „Selektive Wahrnehmung“. Um meine Argumentation zu untermauern, komme ich um ein kleines Glaubensbekenntnis nicht herum. Ich bekenne: Ich war mal Christ. Ich hab mir die großen Kirchen und sogar auch mal eine Gruppe, die viele als Sekte bezeichnen würden, von innen angesehen. Ich glaube auch immernoch an das Göttliche in dieser Welt (und habe da recht konkrete Vorstellungen). Nur eben nicht mehr an die abrahamitischen Religionen. Und da fängt es auch schon an: Wenn über „gläubige Menschen“ geredet wird, wird immer vorausgesetzt, daß es der „eine wahre Glaube“ ist, dem die Person angehört. Den Hinweis auf andere Glaubensrichtungen und vielleicht ein Absatz über eine „Begegnung unterschiedlicher Glaubenssysteme“ hab ich im Artikel vermisst. Manchmal klingt er eher nach einem Christen der sich für das was er ist rechtfertigen will.

Und obwohl man ja denken könnte, dass gerade Schwule tolerant gegenüber Andersdenkenden sein sollten, gehen nicht wenige bei religiösen Themen an die Decke. So manche Webseiten wettern wo sie können gegen den Glauben. Wenig konstruktiv.

*hmmmm* Ja. Auf den ersten Blick trifft das Argument. Nur leider gibt es keine schwulen Gruppen von denen ich wüsste die Christen zwangsbekehren wollen. Es ist leider nicht so, daß Schwule und Christen immer unproblematisch miteinander umgehen würden. Und die Aggression geht viel zu oft von den Christen aus, die Schwule als Sünder verdammen und ihnen verbieten wollen so zu leben wie sie es wollen. Toleranz kann nur einfordern wer sie selbst auch an den Tag legt. Und das kann man vom Christentum (und ich rede nicht von einzelnen Kirchen) nicht sagen. Und wenn man sich auf die ältere Generation beruft in der Frage, warum man homophob agiert, so kann sich jeder Schwule auf Generationen von „Umpolungsversuche“ berufen um eine Ablehnung gegen das Christentum zu begründen.

Unter dem Strich sind Christen mit die hilfsbereitesten Menschen, die man auf Erden finden wird – nicht um sonst sind die meisten Hilfsorganisationen christlicher Natur. In der Gemeinde ist die Achtung des Anderen unglaublich – und die Art Spaß zu haben so kreativ und unbefangen, wie man es selten erlebt.

Auch hier zeigt sich eine sehr selektive Wahrnehmung. Kurz vorher wird noch beschrieben, daß sich einzelne Christen gegen den Glauben verhalten und deshalb gegen Schwule sind. (Wobei schwulenfeindliche Bibelstellen unter dem Mantel des „das muß man im zeitlichen Kontext sehen“ ausgeblendet werden. Wann kommt eigentlich mal einer auf die Idee, eines der 10 Gebote so zu Betrachten und damit evtl. Ehebruch zu „legalisieren“?) Jetzt wo die guten Aspekte hervorgekehrt werden, können sich plötzlich alle Christen auf die Errungenschaften einiger Gruppen berufen. Da stimmt doch was nicht.

Und nebenbei muss man da auch das Gesamtbild sehen. Wenn z.B. Hilfsorganisationen der katholischen Kirche in Afrika Gutes tun, verbreiten sie nebenbei ihren Glauben und sorgen dafür, daß die Ortsansässigen auch ja keine Kondome benutzen. Das Leid was hätte abgewendet werden können, wenn man der AIDS-Epidemie auf diesem Kontinent mit diesem kleinen Mittel entgegen hätte treten können ist unfassbar. Sicher, kein Priester hat zur Waffe gegriffen. Aber trotzdem können sich diese „hilfsbereiten Christen“ viele dieser Opfer zuschreiben. Aber das wird nicht gesehen.

Jeder soll seinen Glauben haben und keiner hat das Recht jemand wegen diesen Glaubens herabzusetzen. Aber: Man sollte sich auch betrachten wen man da mit verteidigt / vertritt.

„Sage mir mit wem du umgehst und ich sage dir wer du bist.“

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4 Antworten zu “Gretchenfrage an „Gay Dating Tricks“”

  1. Ich freue mich, dass mein Beitrag zu solch einer langen Reaktion führte 😉
    Das Thema gehört zurecht näher beleuchtet.
    Leider konnte ich nicht die gesamte Vielschichtigkeit des Themas abbilden, der Text ist eh schon zu lang.

    Nebenbei:
    Du würdest dich wunder, wie sehr ich mich mit meinem Co-Blogger Sascha gerade über diesen Artikel gestritten habe.

    Ihr beide habt ja auch recht. Im Zuge der Veranschaulichung musste ich ein wenig übertreiben was einige Aspekte angeht.
    Mein Hauptanliegen war die Gemeinsamkeiten aufzuzeigen und Verständnis für Christen zu schaffen, um dies als Grundlage für die weitere Kommunikation mit Christen zu nutzen.
    Wenn sich ein Schwuler einen Christen näher möchte (und das im Sinne einer Singlebörse), ist Toleranz unabdingbar. Darüber hinaus ist diese Tugend gegenüber jedem immer zu empfehlen.

    Was die Aggression angeht, so denke ich, das Christen nie wirklich aggressiv sind – vor allem nicht absichtlich. In der Gemeinde habe ich das nämlich nie erlebt. Die Außenwahrnehmung prägt eine andere Sicht. Meiner Meinung nach kommt es da wieder zu dem „aneinander vorbei reden“, was ich im Artikel erwähnte.

    Die Wendung nach „Unter dem Strich“ war als Kontrapunkt zu der Homophobie gedacht.
    Alle Gemeinden die ich kenne (fünf Stück) sind sehr herzlich und unterstützen eine Menge guter Taten und Hilfsorganisationen.
    Doch Du hast vollkommen recht! Viele Hilfsorganisationen sind nicht das Wahre. Der LordsArmee sagt man beispielsweise nach, sie sei korrupt.

    Christen und Schwule trennt eine ganze Menge. Toleranz, der Wunsch den Anderen zu verstehen und das Bewusstsein, das Missverständnissen (gerade hier zu oft) auftreten sind die Grundlage diese Trennung zu überwinden.

    In diesem Sinne danke ich dir für deine Sicht der Dinge 🙂
    Nächtliche Grüße

  2. Wichtig sind mir halt die Unterscheidung zwischen „Gläubigen“ und „gläubigen Christen“ und die Tatsache, daß, zumindest in der Geschichte, deine Aussage „Was die Aggression angeht, so denke ich, das Christen nie wirklich aggressiv sind – vor allem nicht absichtlich.“ nicht haltbar ist.

    Das Christentum beruft sich auf seine Geschichte. Also muss es auch die dunklen Seiten sehen und sich damit beschäftigen. Als kleines Beispiel seien Kreuzzüge und Hexenverbrennungen genannt.

    Und eine Religion, deren eigene Chronisten davon sprachen, daß „…das Gemetzel so groß war, dass unsere Männer in Blut bis zu ihren Knöcheln wateten… “ ( http://www.fordham.edu/halsall/source/cde-jlem.html#gesta2 ) kann sich auf Gewaltlosigkeit nicht mehr berufen.

    In diesem Sinne ein schönes Beltane!

  3. Du hörst von mir keinen Widerspruch.
    Ich zitiere mich mal selbst ^^
    „Die Kirche hat Blut an den Händen […]
    [Es ist] nicht überall Christ drin, wo Christ darauf steht.“

    Ein starker Kritikpunkt, der ferne aber bei vielen „Gemeinschaften“ greift, wenn man die Geschichte betrachtet (Amerika, Deutschland).
    Doch als Gesprächsbasis heute nicht sehr günstig.
    Wie gesagt – es ist ein Dating Blog 😉

    Würde mich freuen, wenn Du einen Backlink setzt, denn sicherlich teilen viele Leser deine Ansicht.

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